20 Jahre Metonic Records: Die Geschichte dahinter

Marian Märki11-20-20255 min. Lesedauer

Zwanzig Jahre sind im Musikbusiness eine Ewigkeit. Nur wenige schaffen es, so lange relevant zu sein. Ein kleines Label aus Biel hat das geschafft. Hinter dem Erfolg steht eine lange Geschichte – und vor allem ein Name.

Dass ein Label zwei Jahrzehnte überlebt, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Dass es dann auch noch immer regelmässig mit seinen Veröffentlichungen für Aufsehen sorgt, schon gar nicht. Geschafft hat dies das in Biel ansässige Label Metonic Records. Hinter dem Erfolg steckt aber vor allem eine Person: Manuel Engel.
Doch erzählen wir die Geschichte von Anfang. Eigentlich ist Engel seines Zeichens Pianist. Nach 3 Jahren an der Berufsschule der Swiss Jazz School in Bern zog es den damals 24-Jährigen im Jahre 2000 nach New York, wo sein Onkel lebte, weil er den Jazz möglichst nahe an der Quelle lernen wollte. Engel schrieb sich darum an der New School University in Manhattan ein und hatte bald den Bachelor of Fine Arts in der Tasche – und wollte ins praktische Berufsleben als Musiker einsteigen.

Einzige Möglichkeit: Selber machen

Doch so einfach war dies nicht. Zwar habe er oft Konzerte gespielt, kam aber nicht wirklich weiter. Gegenüber dem Magazin Jazz’n’More mutmasste er, dass es daran lag, dass er nichts zu verkaufen hatte. Damit meint Engel zwei Dinge: Zum einen war er künstlerisch noch nicht bei sich angekommen, zum anderen hatte er auch keine Tonträger vorzuweisen. Also begann er, sein eigenes Ding zu machen – beeinflusst von Autechre, Squarepusher, Minimal Music und Steve Reich. Mit einem zu Hause produzierten Album versuchte er sein Glück, doch erhielt nur Absagen. Mal hiess es, es sei zu experimentell, mal war es zu «minimal». Und falls dann doch mal ein Label interessiert war, hätte Engel die Produktionskosten selbst vorschiessen müssen. Damals ein Ding der Unmöglichkeit für Engel: «Ein guter Gig brachte mir damals 50 Dollar am Abend. Selbst bei zwei bis drei Gigs pro Woche liegt da nicht viel drin.»Also fasste Engel einen Entschluss: Er produziert sich selbst. Er kaufte sich Bücher, um zu verstehen, was es alles braucht, um ein Label zu gründen. Er sagt dazu: «Bei vielem merkte ich, dass ich mir das auch zutrauen würde.» Für die anderen Dinge, beispielsweise für den Versand und dem Digitalen, besorgte er sich Unterstützung. So entstand 2005 im kulturellen Schmelztiegel New York das Label, dass wir nun als Metonic Records kennen. Darauf erschien auch Engels Erstlingswerk «Solipsist». Der Track «Rename» wurde im gleichen Jahr zum Gewinner des Billboard World Song Contest (Kategorie Jazz Top 3) gekürt.

Immer wieder etwas Neues

Seither sind zahlreiche Alben auf dem Label veröffentlicht worden, viele wurden von den Kritiker*innen gefeiert. Das hängt auch mit der Person Manuel Engel zusammen. Denn egal wie vielseitig er sich ausdrückt – sei es elektronisch, mit Field Recordings, als Jazzer oder auch im Hiphop – allem gemein ist die Bedeutung der Improvisation. Die Fähigkeit dazu und die Lust darauf brachten ihn als Labelbetreiber weiter: «Das Label war nicht nur eine Plattform für meine Ideen, sondern es zwang mich auch immer wieder, etwas Neues herauszubringen.»Seit 2009 ist Engel mit seinem Label wieder in der Schweiz in Biel/Bienne zu Hause. Der Abschied aus dem musikalischen Epizentrum New York zurück in die beschauliche Schweiz war für Engel aber kein Ende, sondern ein Neuanfang. Denn er sieht nicht die Risiken im Neuen, sondern die Möglichkeiten. «Für das Label war es hier zum Beispiel möglich, mithilfe der vielfältigen Stiftungs- und Gönnerlandschaft sich finanziell anders aufzustellen. Dies war in den USA nicht möglich.»

Die Geburtstagssause in mehreren Akten

Nun sind bereits 20 Jahre ins Land gezogen und Metonic Records ist so lebendig wie eh und je. Die zwei Dekaden Musikexperimente werden zünftig gefeiert – auch im Moods. Dafür blicken wir mit verschiedenen Formationen in drei Akten auf die Labelgeschichte zurück.

Der Geburi im Moods

  • 20 Jahre Metonic Records

    • Joy Frempong & Meta Marie Louise, Napoleon Maddox, Ana Igluka

      ExperimentalJazz Modern CreativeExperimental JazzGroove JazzModern Creative Jazz
  • 20 Jahre Metonic Records

    • Annie Aries, Lionel Friedli & Henry Strongbox, Doug Weiss, Romarna Campbell, Estefania Padilla

      JazzJazz Modern CreativeExperimental JazzGroove Jazz
  • 20 Jahre Metonic Records

    • Puts Marie

      Experimental
  • 20 Jahre Metonic Records

    • Live Painting – Hervé Thiot

      Experimental

Unter anderem wird Engel mit seiner Band Meta Marie Louise, die er mit Kevin Chesham 2010 gegründet hat, auftreten. Mit dabei haben sie auch Napoleon Maddox (Cincinnati, US), der auf der letzten Tour mit seiner Leichtigkeit und dem Umgang mit der englischen Sprache alle beeindruckte, und Ana Igluka (Nantes, FR), die bereits 2015 mit der Band zusammenarbeitete und seither in tiefer Freundschaft mit ihnen verbunden ist. Abgerundet wird das Ganze durch Joy Frempong, die Engel als ihren persönlichen Edelfan bezeichnen darf.Doch das ist nur der erste Akt der Geburtstagssause. Weiter geht es dann mit der Kombo Annie Aries, Lionel Friedli & Henry Strongbox, Doug Weiss, Romarna Campbell und Estefania Padilla. Engel wurde durch einen Bekannten von Everest Records auf Annie Aries aufmerksam. Ihre detailverliebte, minimalistische Kompositionsweise beeindruckte ihn nachhaltig. Schnell entstand die Idee, sie mit dem Schlagzeuger Lionel Friedli, den Engel seit seiner Teeniezeit kennt, zusammenzubringen – ein musikalisches Match, das perfekt zur Ästhetik von Aries passt. Dazu gesellt sich Engels alter Ego Henry Strongbox.
Unter diesem Namen experimentiert Engel mit selbstgebauten Klangobjekten und «prepared piano» – einem Klavier, das durch Schrauben, Magnete und Papier klanglich verfremdet wird. Begleitet wird er von seinem Mentor Doug Weiss, Eine Inspirationsquelle für eine ganze Generation von jungen Kontrabassisten, die sich mit Modern Jazz auseinandersetzen. Engel und Weiss hatten anfangs 2024 die Idee ein Trio zu gründen. Nun ist ein Quartett entstanden mit den beiden jungen, talentierten und dynamischen Schlagzeugerinnen Romarna Campbell (Birmingham, UK) und Estefania Chamorro (Barcelona, ES), die für Aufmerksamkeit in der europäischen Musikszene sorgen.Abgerundet wird der Geburtstag durch Puts Marie im dritten Akt. Engel lernte den Sänger der Band, Max Usata, kurz nach seiner Rückkehr in die Schweiz kennen – und eine innige Freundschaft entstand. Engel beschreibt Puts Marie als eine seiner Lieblingsbands; eine Band, bei der intensivste Gefühle auf pure Freiheit treffen.
Doch nicht nur für das Ohr wird es eine Freude, sondern auch für das Auge. Dafür hat Engel den Künstler Hervé Thiot ins Boot geholt. Engel erlebte Hervé Thiot aka Airbios zum ersten Mal als Visual Artist mit Asphalt Piloten - ein internationales Künstlerkollektiv. Engel war begeistert von Thiot's künstlerischem Ausdruck und seinen multidisziplinären Fähigkeiten. Nach jahrelangem Austausch über verschiedene Kunstformen und Ausdrucksweisen entstand eine musikalische Zusammenarbeit, die bis heute anhält und von beiden gefeiert wird – auch am 20. Geburtstag im Moods.