Carte Blanche Daniel Schenker

Brigitta Grimm12-06-20233 min. Lesedauer

Daniel Schenker stand schon seit Anfang der Club-Geschichte auf der Moods-Bühne (damals noch beim Bahnhof Selnau) und wurde mit der Zeit zu einem immer signifikanteren Player des Schweizer Jazz. Im Rahmen der Carte Blanche 2024 gestaltet der Zürcher Trompeter zwei Konzertabende, die diese Entwicklung auch in gewisser Weise widerspiegeln.

In unserem Archiv erscheint der Name erstmals am 20. Oktober 1994 unter dem Konzerttitel «Gitta Kahle-Eliane Cueni Quintett feat. Daniel Schenker (CH) CD-Vernissage». Und einen Monat später stand im Programmtext zum Jazzbrunch «Die Jazzgeschichte ist reich genug für ungezählte Sonntagskonzerte. Mit Dani Schenker präsentiert die Stammrhythmussektion [bestehend aus Klaus König (Piano), Peter Frei (Bass) und Nick Liebmann (Drums)] einen jungen Trompeter aus der Schweiz, der Anlass gibt zu grossen Hoffnungen.»
Ein kurzer Rückblick
1963 geboren, fing Daniel Schenker im Alter von 10 Jahren mit dem Trompetenspielen an und trat als Teenie einer Dixieland-Band bei. Man könnte meinen, er steuerte schnurstracks auf eine Musikerkarriere zu, wenn Schenker nach der Matura nicht erst an die ETH in ein Informatikstudium ausgeschwenkt wäre. Den Sprung zurück in die Musik gewagt, schloss er 1995 das Berufsdiplom an der Swiss Jazz School Bern ab. Es folgte noch im selben Jahr die erste vieler Touren nach Brasilien mit Herbie Kopfs «hip-noses» mit Letieres Leite (Saxophon), Hans Feigenwinter (Piano), Herbie Kopf (Bass), Kaspar Rast (Drums) und Daniel Schenker, in ein Land, dessen Musik für Schenker schon länger präsent war, dessen riesiger Musikkosmos aber erst vor Ort so richtig fassbar wurde – eine Reise, die ihn gerade kreativ sehr geprägt hat.Über mehrere Aufenthalte hinweg stürze sich Schenker in den folgenden Jahren ins inspirierende Gewusel und Gewimmel der New Yorker Szene und gründete 2001 schliesslich sein eigenes Quartett mit Stefan Aeby am Klavier, Dominique Girod am Bass und Elmar Frey am Schlagzeug, das später zusammen mit Chris Cheek zu einem Quintett herangewachsen ist.
Zwar sitzt er meistens ganz hinten rechts, doch ist Daniel Schenker seit 2015 Co-Leiter des Zurich Jazz Orchestra, wo er nach dem Ausstieg von Rainer Tempel in 2013 kurzzeitig die Interimsleitung übernommen hatte. Seit 2021 besteht die Leitung also aus dem Dreieck Ed Partyka, Daniel Schenker und Bettina Uhlmann, wobei Schenker nach wie vor gerade in der Programmgestaltung, wie auch der logistische Organisation (bei einer Big Band keine einfache Aufgabe) mitwirkt.
So! Weit ausgeholt, doch was ist mit der Carte Blanche?
Montag, 20.11.2023 Schenker und Berner in der PredigerkircheDas erste Konzert fand bereits am 20. November 2023 in der Zürcher Predigerkirche statt. Orgel und Trompete – eine festliche Kombination, wenn es denn um Kirchenmusik ginge, im Jazz hingegen eher selten anzutreffen. Wie kommt es also dazu?Daniel Schenker erzählte, dass er als Jugendlicher viel in der Kirche gespielt habe, etwa an Weihnachten und dass ihm die Orgel immer imponiert habe, da sie ein regelrechtes Orchester sei. Eine Kollaboration mit Elisabeth Berner lag also nahe und es war auch nicht die erste: Sie hatten vor zehn Jahren schon Auftritte gemeinsam bestritten. Geistliche Musik trifft auf Jazz: Am 20. November hörte man also sowohl reichliche Blue Notes, wie auch arrangierte, reharmonisierte kirchliche Choräle – gerne in unkonventionellen Metren oder als Jazz-Walzer. Der 7 bis 8 Sekunden lange, natürliche Hall der Predigerkirche sei dabei ein besonderes Erlebnis gewesen gewesen.Dienstag, 12.12.2023 Raphael Kalt überdies: & Daniel Schenker Quintet feat. Chris Cheek Am zweiten Konzertabend von Daniel Schenkers Carte Blanche erwartet uns nichts geringeres als das oben erwähnte Daniel Schenker Quintet mit Chris Cheek. Da schon die erste CD dieses Quintetts («Soundlines», 2004) ein Live-Mitschnitt aus unserem vertrauten Club war, passt es also ganz wunderbar, dass sie zur Carte Blanche wieder ins Moods zurückkehren. Musikalisch spiegelt sich wiederum Schenkers Begeisterung für die brasilianische Musikkultur und die kreativen Erfahrungen vor Ort in vielen seiner Kompositionen wider.
Last but not least sei Schenkers Lehrtätigkeit an der ZHdK erwähnt. Es sei Verantwortung wie auch Privileg, Berufsmusiker auszubilden, erzählt er mir im Gespräch. Silvan Schmid gehört etwa zu seinen ehemaligen Schüler*innen und auch Raphael Kalt (inzwischen ZJO-Registerkollege), dessen Projekt «überdies:» den zweiten Carte Blanche-Abend eröffnen wird.
Zuletzt brannte mir noch eine Frage auf der Zunge, deren Antwort ich euch nicht vorenthalten möchte:
Mit wem würde Daniel Schenker – dead or alive – einmal zusammen spielen wollen?
«Vielleicht mit Miles Davis. Manchmal kennt man Musiker*innen schon so gut vom Klang her. Aber weiss natürlich nicht, ob es auch beim gemeinsamen Spiel funktionieren würde.Es gibt viel Musik, die ich sehr schätze. Mit Steffen Schorn ist es die reinste Freude zusammen auf der Bühne zu stehen und mitzuerleben, wie er mit der Band arbeitet. Und ich freue mich auf die zwei Konzerte mit Elisabeth Berner und dem Quintett mit Chris Cheek.»Wir freuen uns auch!

Carte Blanche Daniel Schenker

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    • Raphael Kalt überdies: «Trail Less Trodden»

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    • Daniel Schenker Quintet feat. Chris Cheek «No Sertão»

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