Carte Blanche: Brandy Butler

Brigitta Grimm05-28-20256 min. Lesedauer

Brandy Butler gehört zu den neun Künstler*innen, die vom Moods eine Carte Blanche für die Saison 24/25 erhalten haben. Die Carte Blanche wird an herausragende Musiker*innen der Schweizer Jazzszene vergeben und bietet ihnen die Möglichkeit, ihr aktuelles Musikschaffen weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Hier erhältst du einen kleinen Einblick in die Arbeit der Wahlzürcherin und umtriebigen Künstlerin.

Bei Brandy Butlers Carte Blanche geht es um Community – also Gemeinschaft – und das Teilen einer musikalischen Erfahrung im Kollektiv, sei es das gemeinsame Musikhören oder das gemeinsame Musizieren als Band oder Kollektiv. Gemeinschaft, Familie und Beziehungen zu anderen Menschen sind ein wichtiges Thema im Schaffen der ursprünglich in Reading, Pennsylvania geborenen Künstlerin. Sie wuchs in einer musikalischen Familie auf, lernte früh zu singen und erhielt von ihrem Vater schon als kleines Kind erste Gesangsstunden, die er auf einem kleinen weissen Casio-Keyboard begleitete. Ab der vierten Klasse kam dann die Querflöte dazu und in der Highschool spielte sie sowohl im Orchester als auch Sousaphon in einer Marching Band. In Philadelphia studierte sie schliesslich Jazzflöte und Tuba und arbeitete nach dem Abschluss als Musiklehrerin und Flötistin und Sängerin einer Band.Voller Lust auf Neues wagte Brandy Butler 2003 den Sprung über den grossen Teich. In der Schweiz arbeitete Brandy zuerst als Au-Pair, wurde dann aber ziemlich schnell zu einer festen Grösse in der Zürcher Musikszene. Spätestens seit der Teilnahme bei The Voice Switzerland erlangte Brandy schweizweite Bekanntheit und inzwischen ist es wahrscheinlich einfacher aufzuzählen, mit welchen Musiker*innen Brandy noch nicht zusammengearbeitet hat.Von der Musik zum Theater
Nach The Voice Switzerland und ihrer Soloplatte «The Inventory of Goodbye» (2016) begann Brandy sich fast ausschliesslich dem Theater zu widmen. Ein Schritt, der vor allem emotionale Gründe hatte. Brandy erzählt: «2016 habe ich meine Soloplatte rausgegeben. Das war ein grosser Schritt für mich, weil ich immer in den Projekten anderer Leute gearbeitet habe, etwa als Backgroundsängerin, und das war mein erstes Werk als Einzelperson. Ich suchte darin auch nach meiner kreativen Vision. Wie klinge ich als Sängerin, als Performerin und was habe ich zu sagen? Und ‹The Inventory of Goodbye› (2016) war die Antwort auf das.» Einerseits sei die Platte auf positive Resonanz gestossen, wurde in den Medien viel gelobt, «auf der anderen Seite erlebte ich die Erwartungen, die Leute an einen fetten, schwarzen Körper haben. Leute sind auf mich zugekommen und sagten ‹Ja, du singst schon gut, aber du kannst das doch noch ein bisschen mehr pushen›. Und das war so komisch – ich wollte meine Emotionen in dieses Album geben, und das war sehr wahr und emotional für mich. Und dann gab es diese Diskrepanz zwischen wie ich mich fühle und was das Publikum von mir will, weil ich eine schwarze, fette, amerikanische Sängerin bin.»
Da habe Brandy sich entschieden, eine Pause zu machen. Gleichzeitig erreichten Brandy Butler Anfragen von Theatern, zunächst als Sängerin und Performerin, plötzlich kam aber auch das Angebot einer Festanstellung bei einem Theaterensemble. Brandys Eltern leiteten früher ein kleines Community Theater, in dem die Musikerin früher viel gespielt habe, aber Brandy hat eine Karriere im Theater kaum für möglich gehalten, dadurch dass sie Deutsch erst mit ihrem Umzug in die Schweiz gelernt hatte. Der besondere Reiz am Theater seien die viel kürzeren Produktionszeiträume, erzählt Brandy: «Im Theater sind es meistens nur sechs Wochen. Man beginnt mit einem Text – oder auch nicht – und am Ende dieser sechs Wochen, in denen du sehr intensiv probst, bis zu 8 Stunden am Tag, hast du etwas Fertiges. Und das gefällt mir.»Inzwischen arbeitete Brandy also schon in Ensembles, als Regisseurin, entwickelte das Format Drag Story Time (Brandy ist auch Kinderpädagogin!) und komponierte jüngst ihre erste Oper «Mitosis – An LSD Opera», in der sie den Verlust ihrer Mutter verarbeitete, deren erste Aufführungen allesamt ausverkauft waren.
Rückblick: Together in Sound – Listening Sessions mit Gästen
Zu Beginn der Carte Blanche von Brandy Butler fanden monatliche Listening Sessions statt. Das Setting: Sonntagvormittags um 11:00 Uhr setzt man sich zu Kaffee und Gipfeli in bequeme Sessel, auf Sofas und grosse Sitzkissen und hört in aller Ruhe ein ganzes Musikalbum von Anfang bis Schluss durch. Die Auswahl der Musik überliess Brandy Butler allerdings den handerlesenen Gästen. Mit Big Zis und «Doolittle» (1989) von den Pixies spürten wir jugendliche Rebellion; mit Guillermo Soryas (a.k.a. Laskaar) Wunschalbum «The Miseducation of Lauryn Hill» (1998) wurde über erste Crushes und Beziehungen nachgedacht und die wahnsinnige Produktion des Albums bewundert; mit Kantonsrätin Mandy Abou Shoak hörten wir «An Evening with Belafonte/Makeba» (1965); mit Stadtpräsidentin Corinne Mauch diskutierten wir über die politischen Texte in Joni Mitchells «Shine» (2007); mit Laurin Buser gings um Rap und Mos Defs «The Ecstatic» (2009); und zu guter Letzt überraschte Brandy mit Ramón Oliveras als Überraschungsgast!
Auf jeden Fall ist klar: Man sollte sich viel öfter Zeit nehmen, ein Musikalbum bewusst von Anfang bis Schluss durchzuhören und es macht noch viel mehr Freude, wenn man anschliessend mit anderen Menschen über die Musik diskutieren kann.13. Juni 2025: Brandy Butler & The Brokenhearted
Butler ist trotz ihrer zahlreichen Projekte immer wieder für eine Überraschung gut. So auch in diesem Fall. Brandy hat das Moods spontan damit überrascht, dass an diesem Abend – fast zehn Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Albums «The Inventory Of Goodbye» (2016) – eine neue Platte vorgestellt wird. Am 13. Juni gibt es also zur Feier des Releases ihrer ersten Single «Incantation» einen exklusiven Einblick in die neue Musik. Mit was sich Brandy darin beschäftigt? «Das Album ist eine Compilation einer Zeitspanne von etwa 2 oder 3 Jahren in meinem Leben», erzählt Brandy, «die einerseits geprägt sind von einer neuen sexuellen Freiheit, die ich Ende meiner Dreissiger gefunden habe, der Bedeutung von Lust und Leidenschaft, und andererseits von stürmischen Zeiten in meiner Familie, von Tod, von meinen Geschwistern. Und es gibt viele Geschichten über die Schwierigkeiten in Beziehungen zu Bekannten oder innerhalb von Familien. Was bindet einen? Und was bedeuten diese Verbindungen zwischen uns wirklich?» Wir sind gespannt und freuen uns auf einen Abend, der unter die Haut gehen wird.
Ausblick: Try A Little Tenderness
«‹Try a little tenderness› ist ein Projekt, das die Vision einer verbindenden und kollektiven Gesellschaft in Zeiten großer Uneinigkeit stärkt. Indem es sich darauf konzentriert, Solidarität aufzubauen, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden und sich durch die Kraft der Musik eine gerechte und von der Gemeinschaft getragene Zukunft vorzustellen, eröffnet das Projekt den Menschen Räume, um sich in kollektiver Form an unsere gemeinsame Menschlichkeit zu erinnern und gleichzeitig Hoffnung zu wecken.» Das, schreibt Brandy Butler, sei die Vision ihres letzten Konzerts in ihrer Carte Blanche-Reihe.
Ursprünglich angedacht im Juni 2025, muss das Konzert leider in die nächste Saison 2025/2026 verschoben werden. Aber verschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Und ein Konzert mit einer so brillianten Besetzung möchte man sich nicht entgehen lassen. Für «Try a little tenderness» lädt Brandy Butler mehrere Sängerinnen ein: Tracy September, Celina Bostic und Melissa Laveaux. Gemeinsam schauen sie zurück in die Vergangenheit, auf das Vermächtnis vieler schwarzer Sängerinnen, auf sich wiederholende Muster der Geschichte der Menschen, aber genauso auch mit hoffnungsvollem Blick in die Zukunft.

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